Gemeinsame Sache, Gewinn für beide Seiten
Rumänische Priester mit ungewöhnlichen Ferienjobs im Bistum
Zupacken lohnt sich – in jeder Hinsicht
Und so schwingt er sich jeden Morgen auf das Leihfahrrad und radelt mit guter Laune zu seinem Ferienjob in der Tischlerei "Plenter" in Legden. Ein paar Kilometer sind das, vom Haus der Schwester des Firmenhinhabers, wo er für vier Wochen untergekommen ist. Der Wind und das manchmal feuchte Wetter machen ihm dabei nichts aus. "Ich bin einiges gewohnt", sagt der 23-Jährige. "In den Semesterferien habe ich schon oft auf Baustellen gearbeitet – da kann man sich das Wetter auch nicht aussuchen."
Er tausche den Schreibtisch gern gegen die körperliche Arbeit, sagt der Theologiestudent im fünften Semester. Auch weil er das Anpacken von Kindesbeinen an gelernt habe. "Mein Vater ist Maurer, da konnte ich immer als Hilfsarbeiter mitmachen." Viel Geld sei dabei in seiner Heimat aber nicht zusammengekommen. Anders in Deutschland, wo er in vier Wochen so viele Euro verdienen könne, dass es mehr als ein Jahr für alle Ausgaben in seinem Studentenleben reiche.
Geld spielt auch eine Rolle
"Natürlich geht es uns in erster Linie ums Geld", gibt er zu. "Das können wir alle gut gebrauchen." Alle – das sind er und seine neun Kommilitonen, die mit dem Austauschprogramm des Kolping-Diözesanverbands ins Bistum Münster gekommen sind. Die zehn Priesteramtskandidaten sind in Gastfamilien vermittelt worden und haben einen vierwöchigen Arbeitsplatz erhalten. Um Organisation, Einreise und Sozialversicherung hat sich das Kolpingwerk im Bistum gekümmert. Ein Angebot, dass seit vielen Jahren besteht und sich im Priesterseminar in Iasi, der rumänischen Partnerdiözese des Bistums Münster, herumgesprochen hat.
Und so tauschen jedes Jahr etwa ein Dutzend angehende rumänische Priester die theologische Literatur für vier Wochen gegen unterschiedliche Werkzeuge. Handwerksbetriebe, soziale Einrichtungen und Dienstleistungsunternehmen lassen sich über das Netzwerk der Kolpingbrüder im Münsterland dafür immer problemlos finden. In Krankenhäusern, Altenheimen oder Textilunternehmen sind die Studenten dann als Lagerarbeiter, Gärtner oder in der Hauswirtschaft im Einsatz. Oder eben in der Tischlerei – wie Daniel Ionità.
Beim finanziellen Anreiz allein bleibe es aber nicht, sagt dieser. "Ich habe auch die große Chance, Deutschlands Menschen, ihre Kultur und auch die Kirche hier kennen zu lernen." Das sei ihm ganz wichtig, denn einen solchen Horizont könne er künftig sicher gut nutzen. "Vielleicht komme ich ja auch als Priester hierher zurück – wir haben doch so viele davon und ihr habt hier kaum noch welche."
Ihm ist in diesen Wochen aufgefallen, dass "die Kirche von Deutschland sehr alt ist". So wenig junge Menschen in den Gottesdiensten habe er daheim noch nie erlebt. Vielleicht verstärke sich das von selbst, vermutet er: "Wenn nur noch alte Menschen in die Kirche gehen, dann haben auch die verbliebenen Jüngeren immer weniger Lust zu kommen." Er würde künftig gern mithelfen, an dieser Situation etwas zu ändern. Und die "ersten Barrieren nach Deutschland" habe er ja bereits abgebaut. "Vor allem die sprachliche Hürde."
Tischlermeister Aloys Plenter gibt zu, dass die am Anfang recht hoch war. "Das war schon ein Sprechen mit Händen und Füßen", erinnert sich der 50-Jährige an die ersten Tage mit seinem rumänischen Tischlerei-Gehilfen. Er habe aber schnell gemerkt, dass er einen "schlauen Burschen" erwischt habe. "Er verstand schnell und war handwerklich geschickt." Er habe seinem Betrieb daher "keinen Klotz ans Bein" gebunden, sondern echte Hilfe geholt. "Es ist eine Situation, in der beide Seiten gewinnen."
Menschlich bereichernd
Wobei er von Beginn an nicht allein wirtschaftlich gedacht habe. "Die Bereicherung geschieht auch auf der menschlichen Ebene", sagt Plenter. Er weiß das, weil er sich an dem Projekt schon seit vielen Jahren beteiligt. Einige Studenten hatte er schon mehrere Male in seinem Betrieb, ein überdauernder Kontakt entstand. "Das bedeutet für mich und für die Priesteramtskandidaten einen neuen Horizont."
Plenter rechnet den Erfolg ohnehin nicht in Euro und Cent: "Wenn nur einer von ihnen später als Priester nach Deutschland zurückkommt, haben wir schon gewonnen." Deshalb sage er ihnen immer, dass sie bei den vielen Arbeiten an den Stanzen, Sägen und Fräsen vor allem auf ihre Finger aufpassen sollten: "Die brauchen sie als Priester doch, wenn sie die Menschen segnen wollen."
Überstunden soll Daniel Ionità nicht machen. "Er soll doch auch noch ausreichend Zeit haben, Deutschland kennen zu lernen." Das tut dieser auf seine eigene Art. Zwar gibt es am Wochenende auch das offizielle Besuchsprogramm für die Gruppe, etwa im Wallfahrtsort Kevelaer oder in Köln mit Dombesichtigung.
Doch am Liebsten setzt er sich nach getaner Arbeit auf das Fahrrad, um die westmünsterländische Umgebung zu erkunden. "Nach Stadtlohn, Gescher oder Ahaus bin ich schon geradelt – über die guten Straßen quer durch die Felder, mit Stationen in den vielen Dorfkirchen." Ionità gibt zu, dass das Gebet des Breviers durch seine vielen Ausflüge ein wenig zu kurz komme. "Aber dafür habe ich ja wieder ausreichend Zeit, wenn ich zurück im Priesterseminar in Iasi bin."
Text: Michael Bönte | Foto: Michael Bönte in Kirche+Leben 11.11.2012